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Kinder & Karriere - Vollkommen normal, vollkommen schaffbar




Interviewerin: Flora Otahal, Mitarbeiterin von COX Coaching & Consulting


Ich durfte mich mit Elke Tesarczyk austauschen – einer Powerfrau mit Vorbildwirkung für mich als junge Frau. Nach Abschluss ihres juristischen Studiums begann sie vor 36 Jahren mit der Abwicklung von Nachlässen im SOS-Kinderdorf Deutschland e.V. Heute ist sie nicht nur Leiterin des Ressorts Marketing und somit Führungskraft von über 160 Mitarbeiter*innen, sondern auch erfahren im Vereinbaren von Kindern und Job. Ich habe mich online mit ihr getroffen, um von ihr zu erfahren, wie sie es geschafft hat, drei Töchter großzuziehen und dabei ihrem Beruf konsequent nachzugehen.


Frau Tesarczyk, hatten Sie in Ihrem Beruf je das Gefühl, dass die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, eine Rolle gespielt hat? Fühlten Sie sich da im Vergleich zu männlichen Kollegen jemals anders behandelt aufgrund Ihres Geschlechts?

Bei SOS-Kinderdorf Deutschland e.V., nein. Dort waren schon immer sehr viele Frauen im Unternehmen, da ja in dem Bereich viele Pädagoginnen und Erzieherinnen vonnöten sind. Bezeichnenderweise war jedoch die Vorstands-Etage, auch damals, sehr männlich. Generell aber habe ich mein Geschlecht bei SOS-Kinderdorf Deutschland e.V. nie als Nachteil empfunden. Allerdings war es sicherlich so, dass man, zu der Zeit, als ich angefangen habe, Frauen nicht automatisch stark in der Führungsebene gesehen hat. So etwas wie Frauenquoten gab es auch noch nicht.


Interessanter Punkt: Wie stehen Sie zur Frauenquote? Braucht es die, Ihrer Meinung nach?

Ich muss gestehen, ich finde die Frauenquote sogar eher etwas hinderlich, weil sie so einen Druck schafft, Frauen einzustellen. Manchmal werden sie eingestellt, weil man sagt ‚Hier fehlt noch eine Frau‘. Dabei sollte man eindeutig auf die Qualifikationen, und nicht auf das Geschlecht, achten. Wenn ich mir vorstelle, es sind vier Positionen zu besetzen, drei davon sind schon männlich und auf die letzte Stelle kommen zwei Bewerber – ein Mann und eine Frau. Ist der Mann besser qualifiziert, so fände ich es, ehrlich gesagt, schwierig, die Frau nur aufgrund ihres Geschlechts zu wählen. Die Qualifikation hat für mich immer Vorrang und so habe ich auch als Führungskraft immer reagiert. Langsam müssen wir so weit sein, dass wir das danach entscheiden können.


Sie haben 3 Töchter großgezogen und waren beruflich sehr erfolgreich. Wie haben Sie das geschafft, dass Sie Ihre Karriere und Ihr Muttersein so erfolgreich vereint haben? Was hat es gebraucht, damit es funktionierte?

Mein Mann und ich haben von Anfang an als noch junges Ehepaar darüber gesprochen: „Wir wollen Kinder haben“. Für uns war auch klar, dass ich deswegen dann meinen Beruf nicht aufgeben muss. Da braucht es auf jeden Fall eine einheitliche Einstellung zu dem Thema. Mein Mann hat mir von Beginn an zugesichert, er werde seinen Teil dazu beitragen, damit ich das machen kann. Das war damals noch einmalig. Er hatte eine hohe Position in der Versicherungswirtschaft, also wenn er gesagt hätte „Ich mache jetzt Elternzeit“, wäre das völlig abwegig gewesen und seine Karriere wäre kaputt gewesen. Das heißt, er hat keine Elternzeit gemacht, aber mich immer voll unterstützt. Ich hatte damals drei Mal sehr unkomplizierte kleine Mädels und jedes Mal bin ich acht Wochen nach der Geburt ins Büro gegangen und habe die Kinder, für circa ein halbes Jahr beziehungsweise so lange wie ich es für notwendig gehalten habe, im Einvernehmen mit meinem Arbeitgeber, der das akzeptiert hat, ins Büro mitgenommen. Ich habe sie gestillt und war daher an der Stelle ohnehin unabkömmlich. Dieses Modell hat wahnsinnig gut funktioniert. Das hat mich glücklich gemacht und das hat das Kind glücklich gemacht. Jedes Kind hatte mich ein halbes Jahr fast für sich. Die anderen zwei Kinder waren zu dem Zeitpunkt dann zu Hause oder im Kindergarten. Das heißt, es braucht erstens das Einvernehmen des Partners, zweitens das Einverständnis des Arbeitgebers das zu kombinieren auf die eine oder andere Weise und drittens die richtige innere Haltung. Man darf sich niemals selbst einreden, man sei eine schlechtere Mutter, weil man gleich wieder arbeiten will oder weil für einen Beruf und Familie gleichwertig wichtig sind. Wenn das in der Balance ist, hat man selbst auch die Kraft das zu schaffen. Der Partner ist dazu mit seiner konsequenten Unterstützung aber immer wieder ausschlaggebend.


Wie sehen Ihre Kinder diese Zeit, wenn Sie heute als Erwachsene mit ihnen darüber reden?

Sie meinen noch heute, dass es für sie besser gewesen sei, eine zufriedene Mutter zu haben, die zwar tagsüber nicht da war, dafür aber abends und am Wochenende präsent und glücklich. Das hat sie offensichtlich positiv geprägt, sonst wären sie heute nicht noch immer sehr gerne bei der Familie.


Wie haben Ihre Vorgesetzten reagiert, als sie sagten, dass Sie ein Kind bekommen?

Erst war mein damaliger Chef erschrocken. Er fragte mich dann gleich, wie es jetzt weitergehen würde und ich sagte „Ganz normal. Das haben schon mehr Frauen geschafft“. Ich habe auch zu ihm gesagt „Ich möchte ohne Pause weiter machen, wenn das geht, und ich werde eine Lösung dafür finden“. Und wenn man in dem überzeugend ist, und das war ich offenbar, funktioniert das. Er sagte „Regeln Sie das für sich“ und das war für mich okay. Ich habe in der Zeit meine Dienstreisen ein wenig reduziert, aber ansonsten hat es funktioniert.


Sie waren, wie es scheint, sehr gefestigt in ihrem Zugang zum Thema Familie und Karriere, auch in einer Zeit, wo das noch nicht so gängig war. Haben Sie das so vorgelebt bekommen oder was hat Sie da gestärkt in der Annahme, dass das funktionieren kann?

Es kam einmal nicht von meinem Elternhaus, denn da war das ganz klassische Modell meiner Mutter, die zu Hause und Hausfrau war. Mein Vater ging der Arbeit nach. Für mich aber war ganz klar, ich brauche den Ausgleich. So groß der Kinderwunsch war, darin allein habe ich die Erfüllung nicht gesehen. Obwohl ich gerne ein Haus einrichte, stricke, häkle und nähe – also diese Aktivitäten, die man ganz klar einer Mutter und Hausfrau zuordnen würde. Aber das Leben war für mich immer etwas Ganzheitliches, eine Abwechslung. Für mich war es keine Option meine lange juristische Ausbildung an den Nagel zu hängen und dann zu überlegen nach den Kindern wie ich beruflich wieder Fuß fasse. Ich kannte viele Frauen, die jahrelang wegen der Kinder zu Hause blieben, und dann landeten sie irgendwo in einem Job, der vielleicht nicht ganz dem entsprach, was anderweitig möglich gewesen wäre. Für mich war der innere Antrieb: Wenn die Kinder aus dem Haus sind, muss ich wieder ein Leben haben, das mich erfüllt und nicht sagen „Jetzt verzweifle ich, denn die Kinder sind aus dem Haus“. Ich habe einige Geschichten erlebt, wo Frauen hinterher frustriert waren. Die Ehe ist kaputt gegangen, die Frauen waren reduziert auf Haushalt, Einkauf, Teilzeitjob. Ich habe einfach diesen Wunsch gehabt, ein abwechslungsreiches Leben mit Kindern zu haben.


Hatten Sie ein Vorbild, das Sie bestärkt hat?

Nein, ein Vorbild hatte ich damals tatsächlich nicht. Während meiner Zeit haben jedoch einige zu mir gesagt, sie hätten den Wunsch das auch zu machen. Manche haben dann mich als Vorbild gesehen, weil sie mitbekamen, dass es bei mir funktioniert. Vorbild bin ich gerne. Auch bei meinen Töchtern. Für die steht das gar nicht mehr zur Diskussion, sollten sie mal Kinder haben. Selbstverständlich ist die Lage immer eine andere, falls man ein schwieriges oder gar beeinträchtigtes Kind bekommt, dann muss man neu denken.


Vermutlich gab es auch bei Ihnen manchmal herausfordernde Situationen beim Vereinbaren von Job und Familie. Welche Schwierigkeiten haben Sie da erlebt?

Ich hatte das Glück, dass meine Kinder so gut wie nicht krank waren. Aber eine Krankheitsgeschichte hatten wir schon. Da sind die Windpocken über meine Kinder hereingefallen. Windpocken zu haben, heißt, dass man Kontakte weitestgehend vermeiden sollte. Das war eine Herausforderung. Wir haben das insofern geregelt, dass ich tagsüber bei den Kindern geblieben bin und mich um sie gekümmert habe und abends hat mein Mann die Kinder ins Bett gebracht und ich arbeitete vier Stunden im Büro bis Mitternacht. Und es ging auch in der Zeit. Diese Energie hat man als Frau, wenn man es will. Man schwächt sich nur selbst, wenn man nicht davon überzeugt ist. Beispielsweise hatte ich mal die repräsentative Aufgabe, meinen Mann auf Dienstreise zu begleiten. Dann sind einfach meine Eltern gekommen und haben die Kinder rund um die Uhr behütet, bis wir wiedergekommen sind. Aber das sind Management-Aufgaben im Kleinunternehmen Familie und auch davor darf man keine Angst haben. Es gibt immer irgendwelche Möglichkeiten. Heute mit dem Homeoffice und virtuellen Meetings noch mehr. Aber dieses Gefühl generell zu wissen „Es klappt“, das stärkt einen für alle Herausforderungen, die noch kommen mögen.


Was waren die bereichernden Momente, die Ihnen Kraft gegeben haben?

Ich hatte nie das Gefühl auf irgendetwas reduziert zu werden. Ich habe nicht wegen meines Berufs auf Kinder verzichtet und ich habe nicht wegen meiner Kinder auf meinen Beruf verzichtet. Auch mein Umfeld hat das als echte Leistung gesehen und das hat mir natürlich Kraft gegeben. Ich habe das immer mit Überzeugung dargestellt und habe ‚kritischen‘ Stimmen immer entgegnet: „Es ist nicht die Anzahl der Tage, die ich mit meinen Kindern verbringe, sondern, was zählt, ist die Qualität der Tage, die ich mit ihnen verbringe“. Die Ferien haben wir mit den Kindern halt so verbracht, dass es für die Kinder und uns passte, anstatt exotische Reisen zu unternehmen. Ein einfaches Landleben in Hütten, auf der Wiese, am See, am Berg, das war perfekt für uns.


Im Hinblick auf Ihren Arbeitgeber: Gibt es etwas, wo Sie sagen, das hätte ich mir als Mutter gewünscht?

Bei mir gab es damals keine Möglichkeit, die Kinder in die Arbeit mitzunehmen und in eine betriebseigene Betreuung zu geben. Zum einen war ich damals die Einzige, die mit so einer verrückten Idee kam. Erst danach wurde das mehr. Später haben wir versucht, eine Kinder-Tagesbetreuung bei uns im Haus zu installieren, hatten aber das Problem, dass wir die Fachkräfte dafür nicht gefunden haben. Dadurch haben wir das wieder aufgegeben. Was tatsächlich gut wäre, und in manchen Betrieben gibt es das schon, ist eigene Unternehmens-Krippe. So können nämlich dann auch die Männer gut die Kinder morgens in der Krippe im Unternehmen abgeben und abends mitnehmen. Dadurch sind die Eltern während der Arbeit grundsätzlich erreichbar, falls etwas ist. Das ist ein Modell, das ich so in der Praxis erlebt habe, da ist der Vorstand jeden Tag am Bällebad bei den Kindern vorbei gegangen, wenn er den Aufzug betreten hat. Das war einfach ein Teil gelebte Kultur. Wenn man Frauen wirklich die gleichen Chancen bieten will, wie Männern, dann sollte man im Unternehmen versuchen, so eine Möglichkeit einzurichten, weil das enorm entspannt. Sollte ein Kind krank sein und nicht mit den anderen zusammen können, dann muss man die Flexibilität haben, das auch mit der Betreuung zu Hause einzurichten.


Wie kann eine Unternehmenskultur dazu beitragen, Frauen mit Kindern zu unterstützen oder noch junge Frauen zu ermutigen?

Das, was Sie zum Beispiel jetzt machen. Einfach mit Frauen ins Gespräch zu gehen, die positive Erfahrungen gemacht haben und denen es auch gelingt, einem Unternehmen die Angst davor zu nehmen, solche Chancen anzubieten. In vielen Unternehmen gibt es einfach noch zu wenig Vertrauen, dass das gelingen kann. Da braucht es überzeugende Frauen und Männer, die sagen: „Und wenn es mal an ein, zwei Tagen nicht funktioniert, dann finden wir dafür eine Lösung“. Es gibt auch Menschen, die sind einfach mal krank, da muss man ja auch eine Lösung finden. Diese Sorgen, dass es Frauen dann nicht packen würden – Die ist, finde ich, unberechtigt. Insofern muss man Unternehmen dazu animieren, selbst Vorreiter in diesen Belangen zu werden und das mit zu tragen, indem sie die Transformation, die hier ansteht, ankurbeln. Durch agile Arbeitsweisen, digitale Meetings und teilweise Homeoffice wird das noch mal einfacher. Das anzugehen macht ganz viel mit der Kultur des Unternehmens, ist aber auch förderlich für die Personalsuche und für die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen.


Wie können Männer dazu beitragen, dass das immer ‚normaler‘ wird, dass Frauen trotz Kinder Karriere machen?

Als Partner müssen Männer unterstützend da sein. Da gibt es die verschiedensten Modelle, die möglich sind, auch Vaterzeit.


Und was können männliche Kollegen, Arbeitgeber oder Führungskräfte beitragen?

Sie können helfen, indem sie solche Modelle grundsätzlich akzeptieren und sagen: „Das ist für mich komplett in Ordnung, dass jemand mit Kind vielleicht mal gewisse Einschränkungen hat“. Auch Kollegen haben das zu akzeptieren und dürfen dann nicht über die Frau sagen: „Naja, die ist ja nicht vollwertig da, die behandeln wir anders“. Das führt dann schnell zu Unzufriedenheit und in nächster Folge zu Minderleistung. Kollegen am Arbeitsplatz sind nun mal mitverantwortlich für ein gutes Klima. Es braucht also die Akzeptanz – des eigenen Partners, der Kollegen und der Führungskraft.


Werden wir jemals aufhören können, darüber zu reden und das ‚normalisieren‘ können?

So realistisch muss man sein, aktuell ist unsere Gesellschaft halt noch immer nicht völlig gleichwertig in Bezug auf Geschlechter. Frauen bringen nun mal die Kinder zur Welt. Insofern wird sich das wahrscheinlich aus meiner heutigen Sicht nie völlig die Waage geben. Wenn ich aber so in die Straßen blicke, sehe ich morgens viel mehr Männer als früher Richtung Kita unterwegs. Da denke ich mir: „Die haben für sich eine Lösung gefunden“. Aber es wird nie 50:50 sein, denn ich bezweifle auch, dass jede Frau ‚Karriere machen‘ will. Wir reden jetzt von denen, die es wollen und die das Gefühl haben, daran noch durch äußere Umstände ein bisschen gehindert zu sein. Ich will schließlich niemanden zu einer Karriere tragen, der das gar nicht möchte. Das Problem ist vielmehr: Man glaubt immer noch, dass es nicht normal ist, Karriere und Kinder zu vereinbaren - und es ist ja auch kein Selbstläufer. Aber durch mehr Angebote für Kleinkinder-Betreuung werden oft gute Lösungen angeboten.


Nicht nur wir, sondern auch viele (Frauen) vor uns, haben sich jetzt schon ganz lange mit diesem Thema ‚Mutter & Karriere‘ beschäftigt. Nervt Sie das eigentlich, dass wir im Jahr 2021 immer noch darüber reden müssen?

Dass Menschen immer noch darüber reden, nervt mich gar nicht. Das zeigt mir vielmehr: Es ist leider immer noch nicht ‚normal‘, Kinder & Karriere zu vereinbaren. Und wenn etwas nicht ‚normal‘ ist, finde ich es richtig, darüber zu reden. Ich habe diese Phasen ‚emanzipierte Frauen‘ und ‚nicht emanzipierte Frauen‘ beide miterlebt. Erst gestern Abend habe ich beim Geplänkel zu meiner Tochter gesagt: „Ich bin so emanzipiert, dass ich mir auch in den Mantel helfen lasse“. Oder auch wenn einem jemand die Tür aufhält. Das sind einfach Gefühle, die schön sind - Die haben aber nichts mit Emanzipation oder Nicht-Emanzipation zu tun, sondern mit einem liebevollen Umgang und Respekt voreinander. Und es ist auch unser Recht, das mal zu genießen. Genauso ist es auch unser Recht darauf hinzuweisen, dass es vollkommen normal und schaffbar ist: Frauen können Karriere und Kinder vereinbaren. Ich habe so viele junge Frauen eingestellt und muss sagen: Oft sind Frauen einfach auch echt die besseren. Und dann wäre es so schade, wenn die durch Kinder aus dieser beruflichen Laufbahn rauskämen. Aber vielleicht schwenkt es irgendwann um und wir reden darüber, ob Männer noch Karriere machen wollen, wenn sie Väter sind – Wir werden sehen.


Vielen Dank für das Interview, Frau Tesarczyk!

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